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Vergiftete Leckerbissen

05.05.2025
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© Didacta Ausstellungs- und Verlagsgesellschaft mbH

In Zweiergruppen huschen die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 8 der Katharina-Henoth-Gesamtschule durch zwei Gruppenräume des Kommunalen Medienzentrums der Stadt Köln, von einer Station zur nächsten. Jede Zweiergruppe hat ein Tablet, mit dem sie an fünf Stationen das Spiel Escape Fake spielen, eine Art virtuellen Escape Room. Statt aus einem Raum auszubrechen, müssen die Spieler dabei aber eine Geschichte nachrecherchieren: Einem Busfahrer wird vorgeworfen, Flüchtlinge illegal einreisen zu lassen, die Spieler müssen herausfinden, ob das stimmt. An den einzelnen Stationen werden auf den Tablets mit Augmented Reality-Technologie Gegenstände eingeblendet, die Schülerteams müssen Hinweise sammeln, Aufgaben erfüllen und nebenbei kurze Quiz zur Medienbildung bearbeiten, um in der Story weiterzukommen. Auch wenn die Geschichte teilweise etwas verworren ist, kommen die meisten Teams gut voran – viele sogar besser als ihre Deutschlehrerin und der Journalist, der heute auch zu Gast sein darf.

Bibliotheken und Schulen als Partner
Das Spiel ist Teil eines zweistündigen Workshops zum Thema Fake News, den zwei Mitarbeiterinnen des Schulservices der Stadtbibliothek Köln durchführen. Eine davon ist Natalia Gottfried. „Für die Schülerinnen und Schüler sind unsere Workshops natürlich erstmal eine Pflichtveranstaltung und das merkt man ihnen am Anfang auch oft an. Sie gehen aber deutlich besser gelaunt wieder heraus“, erzählt sie. Denn Gottfried und ihre Kollegen versuchen, die Veranstaltungen nicht nur mit Lernspielen aufzulockern, sondern auch interaktiv und kurzweilig zu gestalten. In den Fake News Workshop starten sie mit einer Fragerunde: „Wer hat schon mal eine Nachricht oder ein Bild geschickt bekommen, und war sich unsicher, ob es echt war?“ „Wer war schon mal wütend wegen einer Nachricht?“ Die Schülerinnen und Schüler machen mit, viele können Beispiele nennen. Anschließend lernt die Gruppe, was Fake News sind und warum es sie gibt. Dann geht die Gruppe zusammen Beispiele von Bildern, Posts, Videos und Schlagzeilen durch und diskutiert, ob sie falsch sind und wie man das erkennen kann.

Die Schulservices der Kölner Stadtbibliothek und die Stadtteilbibliotheken haben mit rund 40 Kölner Schulen Bildungspartnerschaften. Sie bieten ihnen Workshops für unterschiedliche Altersstufen etwa zu den Themen Fake News, Künstliche Intelligenz oder Recherchetraining an, zudem führen sie Bibliotheksrallyes an, mit denen Schülerinnen und Schüler die Örtlichkeiten kennenlernen. „Im Idealfall kommen die Schülerinnen und Schüler während ihrer Schullaufbahn mehrmals zu allen möglichen Themen zu uns“, sagt Gottfried. Die Inhalte ihrer Veranstaltungen passt das Team der Schulservices laufend an, weil sich auch das Medienumfeld immer verändert. Das zeigt sich zum Beispiel bei KI, die vor einigen Jahren noch kaum ein Thema war. „Es ist heute viel leichter, durch KI an Informationen zu kommen, die perfekt präsentiert sind, aber es ist dabei noch mehr Skepsis geboten als früher“, mahnt Gottfried. Ihr Kollege Sebastian Abresch drückt es drastischer aus. „Das Ergebnis von KI-Recherche schmeckt besser, aber es könnte vergiftet sein.“ Generell findet Gottfried, dass Kinder heute in einem Informationsumfeld aufwachsen, das komplexer ist als je zuvor.

Kinder werden unterschätzt
Dass die Veränderungen durch KI und soziale Medien Kinder und Jugendliche vor Herausforderungen stellen, nimmt auch Andreas Langer wahr, Leiter der Stabsstelle Medienpädagogik bei der Büchereizentrale Schleswig-Holstein. Oft trauten die Erwachsenen den Kindern aber auch zu wenig zu, findet er: „Erwachsene unterschätzen oft die Fähigkeit von Kindern, sich an neue Verhältnisse anzupassen. Kinder wachsen in einer neuen Medienwelt auf, die für sie aber selbstverständlich ist.

Dadurch entwickeln sie manche Kompetenzen und Resilienzen von ganz allein.“ Da sie natürlich trotzdem Unterstützung dabei brauchen, die Welt der Informationen zu verstehen und zu bewerten, entwickelte Langer zusammen mit einer Kollegin schon 2016 das Planspiel Fakehunter, mit dem Schülerinnen und Schüler der Klassen 7 und 8 lernen, auf einem fiktiven Nachrichtenportal Fake Nachrichten zu identifizieren. Mittlerweile wird das Spiel in vielen Bundesländern und sogar im Ausland eingesetzt, die Inhalte werden immer wieder überarbeitet – so kamen im Laufe der Zeit Tiktok-Posts dazu, Facebook spielt keine Rolle mehr. Schulen und Bibliotheken sind flexibel darin, wie sie das Planspiel nutzen wollen, so Langer: „Manche machen mehrwöchige Projekte daraus, andere wickeln es in drei Zeitstunden ab – beides ist möglich.“

Beim Spiel Fakehunter lernen die Teilnehmenden Prüfwerkzeuge zur Beurteilung von Newsmeldungen kennen, die sie dann an dem Fake-Portal anwenden. So müssen sie unter anderem Autor und Impressum eines Textes sowie den Zeitablauf und die Datumsangaben in einer Nachricht prüfen, die Plausibilität der Informationen checken und Bilder durch Tools zur Rückwärtssuche laufen lassen. „Am schwersten fällt es den Schülerinnen und Schülern einzuschätzen, ob es sich bei einer unplausiblen Meldung um Satire oder um einen schlechten Scherz handelt. Aber daran scheitern ja auch viele Erwachsene“, betont Langer mit einem Lächeln.

Weiterführende Links:
https://avr-emags.de/emags/didactaDIGITAL/didactaDIGITAL_0125/#10


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